Triest: Der Commissario und das gute Essen

Auf der Piazza dell’Unità wird der frühere Glanz Triests spürbar. An drei Seiten umsäumen neoklassizistische Prunkbauten den Platz, die vierte Seite ist zum Meer hin offen. In der Bar »Audace« sitzt Krimiautor Veit Heinichen und erzählt über die kulinarischen Seiten der traditionsreichen Stadt. »Nachdem Triest zu Beginn des 18. Jahrhunderts zum Freihafen deklariert worden war, war es in den folgenden hundertfünfzig Jahren eine der am schnellsten wachsenden Städte der damaligen Welt«, sagt Heinichen.

Schmelztiegel der Kulturen

Einwanderer aus allen Himmelsrichtungen kamen in die aufstrebende Stadt: Italienische, österreichische, deutsche, englische, französische, griechische, armenische und jüdische Kaufleute, Handwerker und Abenteurer waren darunter. Lange vor New York war Triest ein Schmelztiegel der Kulturen. Mit ihrer Kultur brachten die neuen Bürger auch ihre Essgewohnheiten und ihre typischen Gerichte mit. »Heute noch ist die Triester Küche so international wie keine andere«, erzählt Heinichen. Da gibt es Liptauer neben Riso alla Greca (Reis auf griechische Art), süßes Mandelgebäck aus der Levante eben­so wie Zuppa di Cozze (Miesmuschelsuppe) aus Süditalien oder ungarisches Gulasch.

Die Tour durch das kulinarische Triest mit Veit Heinichen beginnt an der Peripherie. Im schnittigen Alfa, mit obligatem überquellendem Aschenbecher, fahren wir zum kleinen Hafen von Grignano. Unser Ziel ist die »Tavernetta al Molo«, die direkt am Hafen liegt. Das Lokal wird von Bruno und Matteo geführt, zwei distinguierten Herren mittleren Alters. Es gibt Fisch in allen erdenklichen Varianten: roh, gebacken, gebraten, gegrillt, mariniert, solo oder mit Pasta. »Spaghetti alla Secrestia«, pikante Nudeln mit Scampi, Muscheln und anderem köstlichen Meeresgetier, sollte man unbedingt probieren. Bei schönem Wetter sitzt man im Freien und kann den Segeln im Wind nachschauen.

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BARCOLANA

DIE MEISTFREQUENTIERTE REGATTA DES MITTELMEERS
Sicherlich waren sie – und sind es noch heute – weniger berühmt als die Beatles, aber sie schufen, ohne es zu ahnen, eines der berühmtesten Events der Segelwelt: die Barcolana oder Coppa d’autunno (Herbstpokal), wie sie am Anfang hieß.

Denn der Grund, warum die Barcolana, die meistfrequentierte Regatta des Mittelmeers, am zweiten Oktobersonntag stattfindet, ergab sich durch einen Zufall. In der Tat fiel die Wahl auf dieses Datum, weil in allen vorhergehenden Monaten bereits Regatten und Wettkämpfe stattfanden, die von anderen Segelvereinen organisiert wurden.

Was brauchte man, um an der Coppa d’autunno teilzunehmen? Ein Boot. Nicht mehr und nicht weniger. Man brauchte keine Carbon-Segel, keine Rennboote, keine Messbriefe. Einzige Bedingung: die Liebe zum Meer und die Freude, diese Leidenschaft mit anderen zu teilen.

Viele waren es, die sich auf diese Einladung hin meldeten: Bei der ersten Auflage standen 51 Boote an der Startlinie. Und im Jahr 2002 waren zwischen dem Sporthafen von Barcola und dem Schloss Miramare 1968 Boote unterwegs!

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Triest: Vom Leben in Cafés und zwischen Buchdeckeln

In Triest arbeiteten die Außenseiter der Literatur, deren Ruhm auf sich warten ließ, James Joyce etwa, Italo Svevo und Umberto Saba. Eine Spurensuche.

Parco Miramare

Die Signora in der Pasticceria Pirona ist sich der Bedeutung ihres Wirkens bewusst. Mit der Miene eines Priesters, der die Hostie verteilt, reicht sie Windbeutel über den Tresen der alten Jugendstil-Konditorei. Draußen fegt der Wind an diesem Sonntagmorgen graue Wolken zum Meer hinab. Drinnen umklammern zwei britische Studenten andächtig ihre Cappuccino-Tassen. „Ja, er hat dort drüben über der Apotheke gewohnt und ist oft hierhergekommen“, erklärt ihnen die Verkäuferin. Dann spricht sie seinen Namen aus wie eine Liebkosung, die Vokale langgezogen, die Konsonanten wie mit Sahne umhüllt: „Jaames Joooyce! Ein großer Dichter! Mit einer großen Vorliebe für Süßes.“

Triest, die Hafenstadt an der Adria, am äußersten Ende Italiens und mitten in Europa gelegen, ist eine Metropole der Dichter, aber sie macht kein großes Aufhebens darum. Nur wer gezielt sucht, wird die gelben, orange- oder rosafarbenen Täfelchen an den Hauswänden bemerken, die wie mit einem leisen Flüstern Geschichten erzählen: Hier wohnte im Jahrzehnt vor dem Ersten Weltkrieg James Jocye, der sich und seine kleine Familie nur mühsam als Englischlehrer durchbrachte und dessen Frau in dem zugigen Logis Depressionen bekam. Dort wurde Italo Svevo geboren, Kaufmann und verkannter Schriftsteller, der im entlegenen, damals noch habsburgischen Triest die literarische Moderne Italiens mit auf den Weg brachte. Und da drüben schrieb Umberto Saba seinen Canzoniere, einen der schönsten Gedichtzyklen der italienischen Sprache, den er 1921 trotzig im Eigenverlag veröffentlichte. In Triest arbeiteten die Außenseiter.

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Warum Kaffeetrinken in Triest anspruchsvoll ist

Nirgendwo sonst in Italien wird mehr Kaffee getrunken als in Triest. Und nirgendwo sonst sind die gerösteten Bohnen derart Kult. Eine Tour durch die Stadt auf Espresso-Spuren.

Der Wohnsitz des Professors bleibt geheim. „Aber hier ist sein Postfach“, sagt Signora Nadia und öffnet ehrfürchtig eine Schublade im schweren hölzernen Schrank unter der Kasse. Zum Vorschein kommt ein Bündel Briefe, die Umschläge per Hand beschrieben, adressiert an Claudio Magris, Caffè San Marco, Via Cesare Battisti, 18 a, Trieste.

Der berühmte Germanistikprofessor, 2009 Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels, stammt aus der Stadt am Rand des Karsts. In zahlreichen Schriften hat Magris die Idee von Mitteleuropa entworfen, seine Heimatstadt dabei als einen Grenzort gefeiert, wo sich die slawische, deutsche und italienische Kultur trafen, die Religionen über Jahrhunderte gewaltfrei zusammenlebten.

„Wann immer Magris in Triest ist, besucht er uns, dort ist sein Stammplatz“, sagt die Chefin des Cafés, eine hagere Frau um die 70, und zeigt auf einen Tisch mit zerschlissener Lederbank in einer Ecke des Lokals. „Er liest hier, schreibt an seinen Werken oder trifft sich mit Freunden.“ Und bekommt seine Post übergeben.

Triest hat eine eigene Kaffee-Sprache

 An diesem Samstagmorgen kommt der Professor nicht ins „San Marco“. Andere treffen sich jeden Tag im Etablissement aus dem Jahr 1914, das mit seinen Marmortischen, der dunklen Holzvertäfelung und der freskenbemalten Decke einem Wiener Kaffeehaus ähnelt.

Ein Wochenende in Triest {Unsere Highlights und Tipps}

Ach, liebes Italien. Wir lieben deinen Espresso macchiato, die viele Pasta und das dolce vita. Seit unseren beiden Italien-Reisen letztes Jahr in die Toskana und an den Gardasee ist einfach schon viel zu viel Zeit vergangen, und daher haben wir kurzerhand beschlossen, ein sonniges Wochenende in Triest zu verbringen.

 

Ursprünglich wollten wir letzte Woche ja in die Türkei reisen, doch in Anbetracht der aktuellen Ereignisse haben wir uns schweren Herzens dagegen entschieden. Wer uns kennt, der weiß: wenn wir uns schon aufs Verreisen eingestellt haben, dann muss es auch so sein. Die Wahl fiel auf Triest: italienisches Flair und das gerade einmal 4 1/2 Stunden mit dem Auto von Wien entfernt – perfetto!

Unterkunft: Hotel Victoria Triest

Geschlafen haben wir im Hotel Victoria, das wir euch wirklich empfehlen können. Wir hatten ein Zimmer im fünften und letzten Stockwerk, das wirklich superschön und – ungewöhnlich für ein Stadthotel – auch sehr geräumig war. Und: wir hatten sogar einen kleinen Balkon! Das Hotel liegt etwas außerhalb der Innenstadt – bis zum Hauptplatz sind es etwa 15 Minuten zu Fuß. Das hat uns aber nicht weiter gestört. Geschlafen haben wir übrigens ausgezeichnet, so ein bequemes Hotel-Bett hatten wir bisher selten.

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Mauer der Freiheit

In Triest steht ein Strandbad, in dem Frauen und Männer seit 1903durch eine Mauer getrennt sind. Daran will niemand etwas ändern – nicht nur aus Tradition.

ph Fabrizio Giraldi

Von Hans Gasser

Seit 1903 gibt es in Triest das Strandbad La Lanterna, im lokalen Dialekt „El Pedocin“ genannt. Damals gehörte die Stadt noch zu Österreich-Ungarn, und niemand wunderte sich, dass sich durch das Bad eine drei Meter hohe Mauer zieht, die Frauen- und Männerbereich trennt. Heute ist das immer noch so und erzeugt Kopfschütteln im restlichen Europa. Die Triester Journalistin Micol Brusaferro hat diesen Sommer ein Buch darüber veröffentlicht. Sie erklärt, warum diese städtische Institution so wichtig ist.

SZ: Ist Triest so konservativ, dass dort getrennt gebadet werden muss?

Micol Brusaferro: Im Gegenteil. Die Geschlechtertrennung bietet mehr Freiheit, besonders auf der Frauenseite. Die Triesterinnen lieben das Bad, weil sie hier ganz unverkrampft baden können. 90 Prozent der Frauen gehen hier oben ohne, und man sieht dort Zahnseiden-Tangas, so etwas würden sich die Frauen in einem gemischten Bad nie trauen. Außerdem kann man hier ratschen und tratschen was das Zeug hält, ohne Vorsicht vor den Männerohren.

Wurde also nie versucht, die Mauer abzureißen?

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