29 Juni 2017

Triest: Vom Leben in Cafés und zwischen Buchdeckeln

In Triest arbeiteten die Außenseiter der Literatur, deren Ruhm auf sich warten ließ, James Joyce etwa, Italo Svevo und Umberto Saba. Eine Spurensuche.

Parco Miramare

Die Signora in der Pasticceria Pirona ist sich der Bedeutung ihres Wirkens bewusst. Mit der Miene eines Priesters, der die Hostie verteilt, reicht sie Windbeutel über den Tresen der alten Jugendstil-Konditorei. Draußen fegt der Wind an diesem Sonntagmorgen graue Wolken zum Meer hinab. Drinnen umklammern zwei britische Studenten andächtig ihre Cappuccino-Tassen. „Ja, er hat dort drüben über der Apotheke gewohnt und ist oft hierhergekommen“, erklärt ihnen die Verkäuferin. Dann spricht sie seinen Namen aus wie eine Liebkosung, die Vokale langgezogen, die Konsonanten wie mit Sahne umhüllt: „Jaames Joooyce! Ein großer Dichter! Mit einer großen Vorliebe für Süßes.“

Triest, die Hafenstadt an der Adria, am äußersten Ende Italiens und mitten in Europa gelegen, ist eine Metropole der Dichter, aber sie macht kein großes Aufhebens darum. Nur wer gezielt sucht, wird die gelben, orange- oder rosafarbenen Täfelchen an den Hauswänden bemerken, die wie mit einem leisen Flüstern Geschichten erzählen: Hier wohnte im Jahrzehnt vor dem Ersten Weltkrieg James Jocye, der sich und seine kleine Familie nur mühsam als Englischlehrer durchbrachte und dessen Frau in dem zugigen Logis Depressionen bekam. Dort wurde Italo Svevo geboren, Kaufmann und verkannter Schriftsteller, der im entlegenen, damals noch habsburgischen Triest die literarische Moderne Italiens mit auf den Weg brachte. Und da drüben schrieb Umberto Saba seinen Canzoniere, einen der schönsten Gedichtzyklen der italienischen Sprache, den er 1921 trotzig im Eigenverlag veröffentlichte. In Triest arbeiteten die Außenseiter.

Weiterlesen…

Zurück zum Blog