29 Juni 2017

Mauer der Freiheit

In Triest steht ein Strandbad, in dem Frauen und Männer seit 1903durch eine Mauer getrennt sind. Daran will niemand etwas ändern – nicht nur aus Tradition.

ph Fabrizio Giraldi

Von Hans Gasser

Seit 1903 gibt es in Triest das Strandbad La Lanterna, im lokalen Dialekt „El Pedocin“ genannt. Damals gehörte die Stadt noch zu Österreich-Ungarn, und niemand wunderte sich, dass sich durch das Bad eine drei Meter hohe Mauer zieht, die Frauen- und Männerbereich trennt. Heute ist das immer noch so und erzeugt Kopfschütteln im restlichen Europa. Die Triester Journalistin Micol Brusaferro hat diesen Sommer ein Buch darüber veröffentlicht. Sie erklärt, warum diese städtische Institution so wichtig ist.

SZ: Ist Triest so konservativ, dass dort getrennt gebadet werden muss?

Micol Brusaferro: Im Gegenteil. Die Geschlechtertrennung bietet mehr Freiheit, besonders auf der Frauenseite. Die Triesterinnen lieben das Bad, weil sie hier ganz unverkrampft baden können. 90 Prozent der Frauen gehen hier oben ohne, und man sieht dort Zahnseiden-Tangas, so etwas würden sich die Frauen in einem gemischten Bad nie trauen. Außerdem kann man hier ratschen und tratschen was das Zeug hält, ohne Vorsicht vor den Männerohren.

Wurde also nie versucht, die Mauer abzureißen?

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